Schulkleidung

Kleidung der Schulkinder

Wie sahen sie aus, die Kinder im Jahr 1900, wie waren sie gekleidet? Wenn man einem Mädchen vor einhundertzwanzig Jahren gesagt hätte, dass man heute T-Shirts oder Pullover für 1,-Eur kaufen kann und es Leute gibt, die die Sachen gar nicht mehr waschen, sondern gleich sofort nach einmaligem Tragen wegwerfen, sie hätten es einfach nicht verstanden; denn was ein Mädchen um 1900 an Kleidung hatte, war gut überschaubar. Ein Sommer- und ein Winterkleid, auch gerne als Sonntagsausgehkleid reserviert, Rock, Pullover und Strickjacke, ein Mantel (vielleicht) ein paar lange und kurze Strümpfe, das wars. Und weil wenig Geld da war, mussten die Kleidungsstücke natürlich sehr lange halten und wurden dementsprechend gut gepflegt. Damit die Kleider nicht so schnell schmutzig wurden, trug jedes Mädchen zusätzlich eine Schürze. Die war auch schnell geschneidert, wenn sie mal kaputt ging. Was ein Mädchen auf gar keinen Fall anhatte, war ein Hose. Hosen für Mädchen bzw. Frauen waren verboten. Dazu später aber mehr. Die Haare der Mädchen waren lang, aber fast immer zu einem Zopf hinten, zwei Zöpfen an den Seiten oder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Die Jungen waren wahrlich auch nicht besser ausgestattet. Normalerweise trugen sie ein Hemd, Pullover und je nach Jahreszeit eine Jacke und fast immer kurze Hosen, die etwa bis zum Knie gingen. Was die meisten Jungen aber unbedingt haben wollten, war ein Matrosenanzug. Warum war das so? Die Matrosenanzüge trugen die Soldaten auf den Kriegsschiffen und davon träumten die Jungen: auf einem Kriegsschiff zu sein, in diesem Matrosenanzug dem Kaiser die Welt erobern. Ganz „zufällig“ trugen die Kinder des Kaisers bei allen öffentlichen Auftritten auch solche Matrosenanzüge und so wollten die Jungen natürlich auch aussehen. Den Anzug bekamen aber nur die wenigsten, weil er ziemlich teuer war. Man konnte sich so einen Anzug leihen, wenn man sich z.B. bei der Einschulung fotografieren lassen wollte. Und weil die Mädchen den Jungen nicht nachstehen wollten, gab es für sie ein Kleid, das dem Matrosenanzug ähnelte.


Auf dem Bild unten seht man, wie bettelarm die Menschen wirklich waren. Der Junge rechts hat noch nicht mal das Billigste vom Billigen - ein paar Holzpantinen. Und der Junge links mit der langen Hose und den Holzlatschen war auch nicht besser dran, der trug die lange Hose eines Erwachsenen, abgewetzt und paarmal geflickt. Jungen trugen in der Regel immer nur kurze Hosen.

 

Zwei Schuljungen auf dem Schulweg mit Holztornistern auf dem Rücken

Aber das mit den kurzen Hosen war noch bis in die 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts üblich. Auch ich (Jahrgang 1952) trug in meiner Kindheit nur kurze Hosen. Ich bekam als kleiner Junge eine (viel zu große Lederhose) die viele Jahre halten musste und hielt. Meine erste lange Hose bekam ich mit 10 Jahren, als Teil eines Kommunionanzuges.  

Aber zurück zu den kurzen Hosen: die trugen wir natürlich auch im Winter. Und damit wir nicht froren, bekamen wir (sehr) lange Kniestrümpfe, die, damit sie nicht rutschten, an Gummibändern befestigt wurden und die wiederum an ein Leibchen, das wir unter der Hose trugen - todchic. Warum jeder Junge gerne ein lange Hose haben wollte, kann man sich sicher gut vorstellen.

 

Und wenn sich die Mädchen jetzt schlapplachen - dazu gibt es keinen Grund: die Mädchen durften ja nur Röcke oder Kleider tragen und darunter war es auch empfindlich kalt. Also gab es auch für Mädchen diese Wollstrümpfe, die weit über die Knie reichten. Dicke braune oder graue Wollstrümpfe, die mit schicken Gummibändern an ein Leibchen gebunden wurden, damit man sie nicht verliert. Wer sich die Wollstrümpfe allerdings als weiche, kuschelige Kleidungsstücke vorstellt, liegt auch völlig falsch. Wolle damals kam kurz nach der „Stahlwolle“. Sie war kratzig und hart, aber trotzdem besser als zu frieren.

 

 „Wollsocken“, die bis weit über die Knie gingen. Sie wurden mit Strumpfhaltern an einem Leibchen befestigt. Darum auch die Knöpfe.

Allerdings es gab nicht nur die arme Bevölkerung in den Ruhrgebietsstädten, in denen nur ganz wenige Kinder weiterführende Schulen besuchten. In den damaligen Großstädten, insbesondere in den Unistädten war das Verhältnis natürlich ganz anders. Dort wohnten mehr Menschen, die Lehrer zu den reicheren der Gesellschaft gehörten. Und da trugen die Kinder in den ersten Jahren der Volksschule einen ziemlich teuren Matrosenanzug. Nachdem sie dann die Volksschule in Richtung Gymnasium verließen, hatten die Schülerinnen und Schüler in der Regel festgelegte Schulkleidung an.

Und damit man die Schüler im Straßenbild unterscheiden konnte, trugen die Jungen zusätzlich Schulmützen, mit denen sie bestimmten Schulen zugeordnet werden konnten.

Ich habe drei Bespiele aus Köln, Frankfurt am Main und Uetersen gefunden:

Frankfurt am Main:

Jahrgangsstufe Mützenfarbe Mützenband
Sexta grün

weiß-blau-weiß

Quinta grün

silber-blau-silber

Quarta grün

gold-blau-gold

Untertertia rot

silber-blau-silber

Obertertia rot

gold-blau-gold

Untersekunda orange

silber-blau-silber

Obersekunda orange

gold-blau-gold

Unterprima seidig schimmernd

silber-blau-silber

Oberprima seidig schimmernd

gold-blau-gold

Köln:

Die Schüler der höheren Schule trugen von Sexta bis Untersekunda einheitlich eine grüne Schülermütze mit Silbertressen. Aber auch die Vorschule der höheren Schule setzten sich äußerlich von den der "Volksochsen" ab. Sie trugen bis 1922 eine braune Schülermütze mit Silbertressen, womit sie hauptsächlich ein Statussymbol war.

 

Uetersen:

Jahrgangsstufe Mützenfarbe Mützenband
Untertertia dunkelgrün  blau-weiß-rot
Obertertia dunkelgrün weiß-schwarz-weiß
Obersekunda violett weiß-schwarz-weiß
Unterprima weinrot blau-weiß-rot und silberne Kordel oben
Oberprima weinrot weiß-schwarz-weiß und silberne Kordel

Und das waren die Mützen, die in Bochum Langender getragen wurden. Farben und Mützenbänder konnte ich keiner Jahrgangsstufe  zuordnen.

Lediglich anhand der Mützengröße hätte ich spekulieren können, wie alt sein Träger war. Das war mir zu ungenau.


Kleidung der Lehrerinnen und der Lehrer

 

Das Kleid, hier unten auf dem Bild, hat eine Lehrerin aus Bochum, Frl. Kothe, selbst geschneidert, um es ab 1914, als sie ihre erste Stelle antrat, in der Schule zu tragen. 

 

 

Frl. Kothe, genauer, das Kleid von Frl. Kothe aus dem Jahr 1914

So oder so ähnlich sahen die Lehrerinnen aus. Und da interessiert mich natürlich, warum die immer nur mit Fräulein angeredet wurden. Fräulein!!?? Was ist das eigentlich? Wer wurde mit Fräulein angeredet?

Gut, die Lehrerin, aber warum?

Richtig: als Fräulein wurden alle unverheirateten Frauen, bzw. Mädchen angeredet. Sobald eine Frau geheiratet hatte, hieß sie dann Frau „Soundso“, so wie ihr Ehemann. 

Und warum kann ich wissen, dass eine Lehrerin immer ein Fräulein war? Woher wusste ich, dass sie unverheiratet war? Also jedenfalls nicht, weil sie keinen Ehering trug - nein eine Lehrerin durfte nicht heiraten. 

Wenn eine Lehrerin heiraten wollte, musste sie raus aus der Schule. Sie durfte dann keine Lehrerin mehr sein. 

      Männer haben behauptet, eine Frau die verheiratet sei, sei sittlich nicht in der Lage, Kinder zu unterrichten. Ich frage mich, wieso dann ein verheirateter Mann Kinder unterrichten durfte? Das war nicht logisch.

      Aber was war in Sachen Frauenrechte schon logisch: Frauen durften ohne Einwilligung des Mannes kein eigenes Bankkonto unterhalten. Auch wenn ein Frau arbeiten wollte, musste der Mann das genehmigen. Auch in Sachen Wahlrecht hatten die Frauen lange Zeit nichts zu sagen. In Deutschland immerhin seit 1918; aber die Schweiz führte das Wahlrecht erst 1971 ein und Portugal noch einmal 3 Jahre später, 1974.

 

Und wie erkannte man ein verheiratete Frau? (von meinen Besucherkindern kamen gerade da die witzigsten Antworten: Weil sie so glücklich aussahen; weil ein Mann neben ihr herlief; weil sie Kinder dabei hatten; weil sie einen Ehering trugen usw.)       

Also man erkannte eine verheiratete Frau, weil sie eine Haube tragen mussten. Und jetzt weiß auch jeder, was es bedeutetet „jemanden unter die Haube zu bringen“. Da wollte man die Tochter einfach nur verheiraten.

 

 

Frau mit Haube, fotografiert in einem Heimatmuseum in Brügge


 

Irgendwann habe ich in meinen Unterlagen ein Schriftstück über Vorurteile von Männern gegenüber Frauen im Lehrberuf gefunden und daraus die nun folgende Museumsinfo gemacht. Das haben einige Männer um die Jahrhundertwende 1900 tatsächlich gedacht und ausgesprochen: Was da steht, ist für Männer einfach nur zum Fremdschämen - für Frauen unfassbar:

 

Museumsinfo: Sollen Frauen den Lehrerberuf ausüben?


Und jetzt wird es einen Moment „schlüpferich“; denn wir wollen genau darüber reden: über den Schlüpfer bzw. über das, was Mann und Frau „drunter“ trugen. Tatsächlich trugen Männer bis ungefähr 1870 und Frauen sogar noch weitere 50 Jahre weiter darunter: Nichts! Preußische Soldaten bekamen ab 1866 Unterbeinkleider verpasst. Und die setzten sich später auch bei Frauen durch: Beinkleider, denn Hosen durften Frauen und Mädchen auf keinen Fall tragen. „Die Hosen hatten ja schließlich die Männer an“.

    

Beinkleid, auch Brügge


 

Und wie sahen Lehrer aus? Über Hose, Hemd und Weste trugen die Lehrer einen Gehrock. Der hatte hinten einen Schwalbenschwanz. (So was ähnliches tragen heute noch gerne Musiker)

 

"Lehrer" mit Gehrock und Zeigestock. Die Bluejeans ist etwas unpassend. Aber eine Hose anno 1900 hatte ich nie bei meinen Exponaten.

So einen Gehrock hatten die Lehrer an. Der konnte auch schon mal zu klein sein. Aber etwas Besseres konnten sie sich meist nicht leisten, weil auch sie bettelarm waren


Noch ein Hinweis zu den Lehrkräften. Frauen im Lehrerberuf waren deutlich in der Unterzahl - meist waren es Männer, die den Beruf ausgeübt hatten. Der Lehrerberuf gehörte auch nicht zu den besonders angesehenen Berufen. Im 18. und 19. Jahrhundert war die Lehrerstelle oft auch nur eine Versorgungsstelle. Da kamen die Männer des Dorfes aus irgendwelchen kriegerischen Auseinandersetzungen zurück in ihr Dorf, waren vielleicht auch verletzt oder verstümmelt und so wies man ihnen, weil man sie versorgen musste, die Stelle des Lehrers zu. Damit hat er gleich eine Wohnung und ein Stück Garten, den er zum Überleben bewirtschaften konnte. So schaffte es in Bochum im Stadtteil Werne einmal ein ehemaliger Soldat in den Lehrerberuf, obwohl er weder lesen noch schreiben konnte. 

Das sollte sich 1872 ändern. Wie Peter Joerißen in seiner Publikation "Das Schulmuseum - Ein Museumsführer" schrieb, erließ der neue Kultusminister Adalbert Falk am 15. Oktober 1872 die 'Allgemeinen Bestimmungen, betreffend das Volksschule-, Präparaten- und Seminarwesen', die eine Neuorganisation der Volksschule und eine Anhebung der spärlichen Besoldung bringen sollte.