Lehrmittel um 1900 und andere Gerätschaften im Klassenzimmer anno 1900

 

Zum Schluss gibt es im Klassenzimmer anno 1900 noch einige Sachen zu entdecken, die heute so nicht oder gar nicht mehr existieren: 

Das Fingerrechengerät

"Bedient" wurde das Fingerrechengerät von hinten, indem der Lehrer oder die Lehrerin die 10 roten oder die dahinterliegende weißen Blechfinger entsprechend der Aufgabe nach vorne oder wieder zurück klappte.


Der Lesekasten

 

63 Reihen mit je 4 Bis 5 Wörtern, das war übrigens der Wortschatz eines Volksschülers, abgedruckt auf einer Rolle, die sich in dem Kasten befand. Dazu gab es außen rechts und links Kurbeln, um die Textrolle, vor- oder zurückdrehen zu können. Nach welchem pädagogischen Muster die Buchstaben und Wörter angeordnet wurden, darüber habe ich bis heute keine Beschreibungen gefunden und erklären konnte mir das auch noch niemand.

 


Umriss-Stempel für die Fächer Biologie, Heimat- bzw. Erdkunde

Umriss-Stempel

Stempel gehörten lange Zeit zu den bevorzugten Lehrmitteln der Volksschulen, weil sie kostengünstig waren und die fehlenden Schulbücher, insbesondere in den Fächern Erdkunde und Naturkunde ersetzten. Mit ihnen konnten Lehrkräfte dem Lehrplan entsprechend, das jeweilig zu bearbeitende Motiv in die Hefte der Schülerinnen und Schüler drucken, besprechen und dazugehörige Aufgaben verteilen.

 

Gerhard Zehnter, Schulrektor und später Bürgermeister der Stadt Bochum, der die Stempel noch regelmäßig selbst einsetzte, hat die nun folgende kleine Anleitung für den Unterricht verfasst. Sie wurde im Arrhenius-Verlag - H. Möllenkamp-KG Bochum, gedruckt.


Stempel 1

Die Entstehung der Siedlung "Neubochum" um 800-1100

 

Der Stempel zeigt die Umrisse der Stadt Bochum, wie sie etwa um 1000 n.Chr. gewesen sein könnte. Um Reichshof und Kirche gliedern sich die einige Straßenzüge mit den ersten Ansiedlern. 

Die Probsteikirche, die dem Stempel als Skizze zugeordnet wurde, gilt als Symbol der abgeschlossenen Christianisierung.

 

In der Zeit der Sachsenkriege errichtete Karl der Große auf dem Gelände des heutigen St. Elisabeth-Hospitals, am Schnittpunkt zweier Straßen, der Hellwege, einen befestigten Reichshof. Ähnliche Höfe entstanden in allen Teilen der Gebiete, die Karl der Große erobert hatte. Die Reichshöfe waren Mittelpunkte einer größeren Verwaltungseinheit, und sie dienten dem Schutz des Landes, der  Gerichtsbarkeit und der Missionstätigkeit.

 

Es ist einleuchtend, dass sich schon bald Bauern und Handwerker in der Nähe des schutzbietenden Hofes niederließen. 

Um diesen Siedlungskern gliederten sich im weiten Umkreis die Bauernschaften, die heutigen Bochumer Vororte. Sie werden schon zu Anfang des zehnten Jahrhunderts erwähnt. Einige der alten Bezeichnungen seien hier genannt: „Werinun"=Werne, „Lahari"=Laer, „Treeri"=Langendreer, „Aldanbochum"=Altenbochum, „Gerthrium" =Gerthe, „Stiepula"=Stiepel. „Quernberga"=Querenburg. Alle waren sie älter als die Reichshofsiedlung, Gerthe und Altenbochum waren sogar schon in der Jungsteinzeit blühende Bauernsiedlungen. Durch die Reichshofgründung wurden sie alle dem strategisch günstigen Mittelpunkt "Neu-Bochum" (vergl. Altenbochum) verwaltungstechnisch zugeordnet.

 

 

Unterrichtsthemen zur Entstehung der Siedlung „Neu-Bochum“:

  1. Fundorte aus der Jungsteinzeit, der Römerzeit und der Zeit der Sugambrer in Bochum
  2. Besichtigung des Heimatmuseums in Haus Kemnade
  3. Beschreibung eines karolingischen Reichshofes
  4. Gerichtsverhandlung im Reichshof nach den Gesetzen Karls des Großen
  5. Bauern bringen Steuern
  6. Sachsentaufe in der Kirche
  7. Arbeit am Stempel: Eintragen der wichtigsten Punkte: Reichshof, Rathaus, Alter Markt, Markt, Schwanenmark

Stempel 2 

Bochum wird Stadt

(14. Jahrhundert)

       

     Der Stempel zeigt Bochum im 14. Jahrhundert. Deutlich ist die fast kreisförmige Anlage mit Straßenzügen, Toren und Umwallungen erkennbar. Die Burg Blankenstein symbolisiert die  Verleihung der niederen Stadtrechte durch den zuständigen Landesherren, Engelbert II.

     Aus der kleinen Reichshofsiedlung ist die befestigte, stadtähnlich Siedlung geworden. Im Jahre 1321 verlieh Graf Engelbert II auf Burg Blankenstein seiner Siedlung Bochum die niederen Stadtrechte. Dazu gehörten die Übertragung der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit und der Stadtverwaltung an den Schultheißen. Außerdem erhielten die Vertreter der Bürgerschaft ein gewisses Mitbestimmungsrecht  und die Stadt selbst drei Jahre später ein „Marktprivilegium“ für drei jährliche Pferde- und Krammärkte. 

     Die märkischen Grafen zählten Bochum zu dieser Zeit noch nicht lange zu ihrem Besitz. Erst nach vielen Kämpfen mit den verschiedenen Landesherren war es ihnen gelungen, das Bochumer Gebiet ihrer Grafschaft einzuverleiben.

 

Unterrichtsthemen zu „Bochum wird Stadt“:

  1. Die alten Straßen auf dem Stadtplan von heute suchen
  2. Eintragung der fünf Tore in den modernen Stadtplan
  3. Wanderung um den alten Stadtkern
  4. Bedeutung der Straßennamen (z.B. Bongard= Baumgarten, Ort des Freigericht)
  5. Über die Ursprünge der Burg Blankenstein

Stempel 3

Bochum im 17. Jahrhundert

 

Der Plan der Stadt Bochum, der auf dem Stempel erscheint, ist eine Nachzeichnung eines Planes, den Dr. Arnold Kortum im 18. Jahr-hundert anfertigte. Er kann als zuverlässige historische Quelle angesehen werden. Noch hat die Stadt ihren alten Umfang behalten. Die Stadttore mit den Hauptausfallstraßen sind klar erkennbar.

Erkennbar aber ist auch die Gruppierung der Häuser und der Zustand der Straßen. Nur wenige Straßen sind gepflastert.

Die Zeichnung der Pauluskirche, die dem Plan zugeordnet ist, verdeutlicht die religiöse Umwandlung in der bevölkerungspolitischen Struktur (Reformation)

     Seit der Verleihung der Stadtrechte (1321) sind mehr als 4 Jahrhunderte vergangen. Die Stadt hat Zeiten der Not und Sorge hinter sich. Dem großen Brand des Jahres 1517, der fast die ganze Stadt einäscherte, folgten Armut, Seuchen und Kriege. Die Landesherren wechselten, den Grafen von der Mark folgten ab 1609 der Pfalzgraf zu Neuburg und der Kurfürst von Brandenburg, 1614 bzw. 1666.

     Der Dreißigjährige Krieg überzog das Land, freie Truppen erpressten Magistrat und Bürgerschaft, der Geist der Reformation veränderte das religiöse Antlitz der Stadt. Auf dem Gelände des ehe-maligen Brunsteinhofes entstand die Pauluskirche, das erste Lutherische Gotteshaus der Stadt (erbaut zwischen 1655 und 1672), und am Weilenbrink wurde 1698 die reformierte Johanniskirche einge-weiht.

     Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es in Bochum 343 Wohnhäuser, davon standen 40 leer. Dreißig Hausbesitzer waren arm, sieben sogar bettelarm. Das war die Folge der schlimmen Jahrhunderte, die die Stadt hinter sich hatte. Noch waren die Schulden aus dem Dreißigjährigen Krieg nicht bezahlt, da drückten im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) neue Sorgen die Bürgerschaft. 

 

Unterrichtsthemen zu „Bochum im 17. Jahrhundert“:

  1. Vergleich des Bochumer Stadtplans mit dem Plan von Essen oder Dortmund aus dem Zeitraum
  2. Die Bedeutung der Reformation
  3. Ein Besuch in der Pauluskirche
  4. Bürgerleben im 18. Jahrhundert

Stempel 4

Bauernschaften um Bochum

 

     Der Plan auf diesem Stempel entspricht der Fläche des Stadtgebietes bis 1974. Es reichte im Osten bis  Lügendortmund, im Westen bis Wattenscheid, im    Norden bis Herne und im Süden bis zur Ruhr. Das Amt Bochum war ursprünglich noch viel größer. Man erkennt deutlich, dass der Bochumer Stadtkern einen natürlichen Mittelpunkt bildet, um den sich die einzelnen Bauernschaften gruppierten.

     Stadt und Amt Bochum waren bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bäuerlich orientiert.

Die überwiegende Masse der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft. Wenige Bauern indessen waren wirkliche Herren auf ihren Höfen. In den meisten Fällen gehörte das Land adligen Grundherren oder der Geistlichkeit, also der Kirche. Von den Grundherren erhielten die Bauern das Land zu Lehen. (d.h. sie bekamen das Land gegen eine Gebühr geliehen)

 

Grundriss eines Bauernhauses

Auf dem Stempel ist der Grundriss und der Aufriss des Bauernhauses zu sehen.

Grundriss:

1.

Schweinestall

6.

Tenne

 

2.

Tenne

7.

Rinderstall

 

3.

Schafstalll

8.

Stube

 

4.

Kälberstall

9.

Küche mit Herdstelle (hinten)

 

5.

Pferdestall

10.

Stube

Aufriss: Fachwerkkonstruktion mit Satteldach und Rasenkappe zum Schutz gegen Regen

 

Unterrichtsthemen zu „Bauernschaften um Bochum“:

  1. Berichtigung eines ehemaligen Bauernhauses (Bauernhausmuseum Haus Kemnade)
  2. Bauernleben früher und heute
  3. Besichtigung eines modernen landwirtschaftlichen Betriebes
  4. Arbeit am Stempel: Ersatz der Zahlen durch entsprechende Bezeichnungen

     Erkenntnis: Im westfälischen Bauernhaus lebten Mensch und Vieh unter einem Dach


Stempel 5

Bochum wird Industriestadt

     Bochum wandelt sich. Die kleine Ackerbürgerstadt wächst in eine neue Zukunft hinein. Die  Bauernschaften werden immer mehr zu „Vororten“. Fabriken und Zechen entstehen. Symbole für die neue Zeit sind Fördertürme und Fabrikschlote (Skizze des Bochumer Vereins, s.u.)

     Die Kleinstädtische Vergangenheit unserer Stadt reicht bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Dann aber durchbrach die Dampfmaschine die Deckgebirge. Kleinzechen wurden zu Großzechen, und überall schossen neue Zechengesellschaften wie Pilze aus dem Boden.

Der Kohle gesellte sich bald das Eisen hinzu. Der Bochumer Verein und die Stahlwerke entstanden und im Jahre 1860 war Bochum bereits so wichtig geworden, dass man es dem allgemeinen Eisenbahn-netz anschloss. Zählte man im Jahre 1840 noch 3859 Bürger, so waren es 1875 schon fast 30 000. (Hundert Jahre zuvor waren es gerade einmal 1440)

 

Unterrichtsthemen zu „Bochum wird Industriestadt“:

  1. Geschichte einer Eisenfabrik
  2. Geschichte einer Zeche
  3. Modell einer Dampfmaschine
  4. Besuch des Deutschen Bergbaumuseums

Stempel 6

Bochum bis 1974

 

Der Stempel zeigt das (heutige) Stadtgebiet (bis 1970) in seiner ganzen Ausdehnung. Es umfasst etwa 12 136 ha. Die wichtigsten Eisenbahnlinien und Straßen zeigen Bochums Anschluss an das allgemeine Verkehrsnetz.

Bochum wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört. Aber der zähe Aufbauwille der Be-völkerung überstand die schrecklichen Schatten des letzten Krieges. Heute (1970) zählt Bochum etwa 365.000 Einwohner. Aus der Bergbaustadt ist durch den Strukturwandel der letzten Jahre ein Zentrum der eisenschaffenden und eisenverarbeitenden Industrie geworden.

 

Unterrichtsthemen zu „Bochum bis 1974“ 

  1. Der Schnittpunkt der beiden Hellwege ist auch auf dem modernen Stadt-plan noch erkennbar.
  2. Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg
  3. Strukturwandel in der Industrie
  4. Schulen aller Art
  5. Stadtrundfahrt
  6. Bochums Nachbarstädte

Soweit die Unterrichtstipps zu den Heimatkundestempeln des ehemaligen Rektors und späteren Bürgermeisters Gerhard Zehnter. 

Die hier beschriebenen Stempel waren die ersten Umriss-Stempel für Bochum. Es ging weiter mit dem Plan des Ruhrgebiets, dem Plan von Westfalen, von Nordrhein, von Nordrhein-Westfalen und allen anderen Bundesländern, der Bundesrepublik Deutschland, Einzelkarten aller anderen Länder, der Kontinente und schließlich die Weltkarte. 

Im Anhang werden nach und nach weitere Stempelmotive, wie sie in den 1950er Jahren in Bochumer Schulen im Heimatkundeunterricht eingesetzt wurden, eingestellt. 

Die Umriss-Stempel wurden aber auch im Biologie- und Naturkundeunterricht eingesetzt: Pflanzen, Blüten und Früchte gehörten dazu wie Organe der Menschen oder das Skelett und der Blutkreislauf.

Was meinen Besuchern besonders Spass gemacht hat, war der Jahreszeitenstempel, Motive der 12 Monate, die ausgeschnitten werden und  in der richtigen Reihenfolge zusammengelegt werden mussten.


 

Der Ruhrgebietsstempel mit der schönen Aufgabe, alle Städte, hier als Kreise eingezeichnet, zu benennen.


 



























Oder der Jahreskreis-Stempel, den die Kinder besonders gern mochten. 

Ihre Aufgabe war es, die 12 Segmente auszuschneiden und in der richtigen Reihenfolge zusammenzulegen bzw. aufzukleben und so spielerisch die Monatsnamen zu erlernen.

 

Warum wurden solche Stempel eingesetzt? 

Heute bekommen wir für jedes Schulfach unzählige Bücher von unzähligen Verlagen. Jeder Verlag bringt für jede Jahrgangsstufe jedes Jahr neue Bücher heraus - eine unübersehbare Bücherflut. Und die Bücher sind dementsprechend billig und für viele Schülerinnen und Schüler sogar völlig kostenlos. Das war früher nicht so. Einen Atlas z.B. konnte ich mir nicht leisten und auch Biologiebücher waren zu teuer. Also hat man sich beholfen. Es reichte ein einfaches Schulheft ohne Linien und da hinein bekam man dem Unterrichtsverlauf entsprechend die Bilder bzw. Landkarten hinein gedruckt, bzw. die Schüler druckten sich die Motive selbst ins Heft.

In Deutschland konnten Schulen die Westermann-Umriss-Stempel ab 1925 erwerben: das war ein abgerundeten Wiegestempel. Untergebracht war der Stempel anfangs in braunen oder grünlichen Blechkästen. Später wurden die Stempel in Pappkartons ausgeliefert. Zu den Stempeln, die unterschiedlich groß waren, gab es auch noch die passenden Stempelkissen, die regelmäßig mit Stempelfarbe getränkt werden mussten. Die gab es in schwarz, blau oder rot.